Dieser Aufsatz stellt dar, wie sich die Staatsschulden und deren Gläubigerstruktur im Euroraum in den letzten Jahren entwickelt haben. Er knüpft an einen Aufsatz im Monatsbericht Juli 2022 an ( vgl. : Deutsche Bundesbank (2022)), der die Entwicklung bis Ende 2021 diskutierte. Dabei hat sich die verfügbare Datengrundlage geändert. Inzwischen liegen Daten für die Gläubigerstruktur der Maastricht-Verschuldung vor, während teils andere damals verfügbare Daten nicht mehr vorhanden sind. Die für diesen Aufsatz verwendeten Daten und deren statistische Abgrenzung werden im Anhang erläutert. Sie stehen für den Zeitraum ab Anfang 2021 zur Verfügung. Neben den direkten Schulden der Mitgliedstaaten gibt es die gemeinsame Verschuldung auf der Ebene der Europäischen Union ( EU ). Ende 2023 dürfte sie 1,4 % des BIP der EU erreicht haben. Seit 2021 ist sie insbesondere durch den Extrahaushalt Next Generation EU ( NGEU ) erheblich gestiegen und dürfte in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Dieser Aufsatz behandelt allerdings nur die nationalen Schulden und deren Gläubigerstruktur. Ausführlicher zur Maastricht-Verschuldung der EU -Institutionen, die Eurostat jüngst veröffentlichte, vgl. : Deutsche Bundesbank (2024a). Die Klassifizierung in kurzfristige und langfristige Verbindlichkeiten erfolgt hier gemäß den Government Finance Statistics von Eurostat : kurzfristige Verbindlichkeiten mit Ursprungslaufzeiten von bis zu einem Jahr, langfristige Verbindlichkeiten mit Ursprungslaufzeiten über ein Jahr oder ohne Angabe zur Laufzeit. Griechenland wurden von anderen Mitgliedstaaten des Euroraums auch bilaterale Hilfskredite gewährt ( Greek Loan Facility ). Zudem erhielten die von der Staatsschuldenkrise besonders betroffenen Mitgliedstaaten Finanzhilfen der Europäischen Kommission (im Rahmen des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus, EFSM ) und des Internationalen Währungsfonds. Zu einer hohen Laufzeit können im Einzelfall auch variable Zinsen vereinbart worden sein. Dies betrifft in Deutschland im Wesentlichen nur die inflationsindexierten Bundeswertpapiere. Auch können sich Schuldner über Derivate auch über die Restlaufzeit hinaus feste Zinsen sichern oder längerfristig fixierte Zinsen gegen variable austauschen. Für den Bund veröffentlicht das Bundesministerium der Finanzen auch Angaben zur Restlaufzeit unter Einrechnung von Derivaten. Im letzten Berichtsjahr hatten die Derivate per saldo keinen nennenswerten Effekt. Vgl. : Bundesministerium der Finanzen (2023). Für die Entwicklung der Gläubigerstruktur von Staatsschulden im Euroraum und ausgewählter Mitgliedstaaten seit Ende 2013 bis Ende 2021 siehe: Deutsche Bundesbank (2022). Das Eurosystem kaufte mit dem Public Sector Purchase Programme ( PSPP ) ab März 2015 und dem Pandemic Emergency Purchase Programme ( PEPP ) ab März 2020 umfangreich öffentliche Anleihen. Nationale Zentralbanken kauften überwiegend Anleihen des eigenen Mitgliedstaates. Vgl. zur Begründung und Ausgestaltung der Programme: Amtsblatt der Europäischen Union L 39 (2020a) sowie Amtsblatt der Europäischen Union L 91 (2020b). Das Eurosystem wird hier zusammengefasst, um das Gewicht des Sektors zu veranschaulichen. Die Haftung bleibt für den Großteil der erworbenen Schuldtitel bei der Zentralbank des Sitzstaates. Vgl. : Europäische Zentralbank (2023). Die Zentralbanken des Eurosystems erwarben mit den staatlichen Ankaufprogrammen neben Anleihen des Staatssektors auch Anleihen von Förderbanken und weiterer öffentlicher Unternehmen. Diese Anleihen sind in diesen Kennziffern nicht enthalten, soweit sie nicht in den nationalen Staatsschulden erfasst sind. Dies ist insbesondere für Deutschland zu berücksichtigen. Vgl. hierzu die Erläuterungen im Anhang . Die Zahlen in Relation zum BIP divergieren auch zwischen den Mitgliedstaaten, da sich die Käufe des PSPP und PEPP am Kapitalschlüssel des Eurosystems orientieren. Dieser setzt sich gleichgewichtet aus den jeweiligen Anteilen eines Mitgliedstaates an der Gesamtbevölkerung und am BIP des Euroraums in Vorjahren zusammen. Dadurch werden italienische und spanische Schuldtitel vergleichsweise mehr gekauft, als wenn sich Ankäufe alleine am Anteil des BIP orientierten. Die Entwicklung in Italien dürfte durch die Ausgabe speziell ausgestalteter Schuldverschreibungen begünstigt worden sein. Seit Juni 2023 emittiert Italien mit den BTP Valore nämlich Anleihen, die für Anleger mit einer Präferenz für Anlagen ohne Umschichtungen konzipiert sind. Sie zeichnen sich aus durch einen Mindestkaufanteil von 1 000 € und stufenweise ansteigende fixe Kuponzahlungen (basierend auf Marktkonditionen zum Emissionszeitpunkt). Anleger, die die Anleihe am Emissionstag kauften und bis zu deren Fälligkeit halten, erhalten noch eine zusätzliche Prämie von 0,7 % auf die Investitionssumme. Vgl. ausführlicher: Ministerio dell'Economia e delle Finanze (2024). Für Ankäufe über das SMP vereinbarte das Eurosystem volle Risikoteilung. Für Ankäufe über PSPP und PEPP vereinbarte es für 20 % der Käufe, die Risiken zu teilen. Dies betrifft die Käufe der EZB an den bisher ausgewiesenen Schuldtiteln von nationalen Staatsanleihen, sowie Schuldtitel von Förderbanken und weiteren öffentlichen Unternehmen. Aber auch angekaufte Anleihen supranationaler Institutionen durch die nationalen Zentralbanken unterliegen der Risikoteilung (jeweils 10 %). Die Zinserträge der Bestände mit Risikoteilung werden gemäß Kapitalschlüssel des Eurosystems auf die nationalen Zentralbanken verteilt. 80 % der Käufe über PSPP und PEPP werden ohne Risikoteilung ausgeführt. Dies betrifft Käufe der nationalen Zentralbanken von Wertpapieren dort ansässiger Staatseinheiten, Förderbanken und weiterer öffentlicher Unternehmen. Die unter Risikoteilung gekauften Gesamtbestände des Eurosystems aus den staatlichen Ankaufprogrammen wurden bei diesen Kennzahlen gemäß Kapitalschlüssel den jeweiligen Mitgliedstaaten zugerechnet. Dies betrifft die Bestände des SMP sowie die landesspezifischen Ankäufe der EZB gemäß PSPP und PEPP an Anleihen der Sitzstaaten sowie dort ansässiger Förderbanken und öffentlicher Unternehmen. Die Zahlen in Relation zum BIP divergieren auch hier dadurch, dass sich die Käufe des PSPP und PEPP am Kapitalschlüssel des Eurosystems orientierten. Darüber hinaus erhalten die Zentralbanken Erträge aus nicht heimischen Wertpapieren und Anleihen supranationaler Institutionen, für deren Ankäufe Risikoteilung vereinbart wurde. In Relation zum jeweils nationalen BIP beliefen sich diese Bestände der Zentralbanken des Eurosystems für die Bundesbank und die Banque de France auf rund 5 %, für die Banca d‘Italia und die Banco de España auf rund 6 %. Die Daten wurden den Bilanzen der nationalen Zentralbanken zum Geschäftsjahr 2023 entnommen. Diese Werte beziehen sich auf alle Anlagen, die in Euro denominiert sind, nicht nur auf nationale Staatsanleihen. In Tabelle 4.2 sind insbesondere die Bilanzposten 7.2. (sonstige Wertpapiere, die nicht für geldpolitische Zwecke gehalten werden) und 11.3 (sonstige Finanzanlagen) abgebildet. Ergänzende Informationen in den Jahresberichten wurden berücksichtigt. Vgl. : Banca d‘Italia (2024), Banco de España (2024), Banque de France (2024) und Deutsche Bundesbank (2024b). Die Bundesbank hat in diesem Zusammenhang keine Bestände. Die Banque de France hat Bestände in Höhe von 52,6 Mrd € und die Banco de España 26,8 Mrd €. Die Banca d‘Italia weist in ihrem Jahresbericht für die sonstigen Investitionen in Staatsanleihen des Euroraums einen Wert von 122,9 Mrd € aus. Für Käufe über PSPP und PEPP wurde beschlossen, dass 80 % ohne Risikoteilung ausgeführt werden. Dies betrifft Käufe der nationalen Zentralbanken von Wertpapieren dort ansässiger Staatseinheiten, Förderbanken und weiterer öffentlicher Unternehmen. Sehr stark vereinfacht fließen Zinszahlungen auf die gekauften Wertpapiere zwar den nationalen Zentralbanken zu. Parallel zum Anleihekauf wuchsen bei diesen aber die Einlagen von Geschäftsbanken. Dafür zahlen die nationalen Zentralbanken Zinsen (den Einlagesatz). Die Differenz aus den Einnahmen aus dem Anleihebestand und den Ausgaben für die Einlagefazilität wirkt sich auf den Zentralbankgewinn aus. Dieser beeinflusst die Staatsfinanzen, kann gleichwohl über Rückstellungen und Verlustvorträge über die Zeit verteilt werden. Vgl. ausführlicher: Deutsche Bundesbank (2021a). Aufgrund einer Steuererstattung von 2,3 Mrd € wies die Banca d´Italia einen ausschüttbaren Nettogewinn von 0,8 Mrd € aus. Eigenmittel des inländischen Bankensektors definiert als Kapital und Reserven gemäß der Bilanzstatistik der EZB . Für die einzelnen Banken können diese Werte abweichen. Abweichungen zu Tabelle 4.1 entstehen durch den Bewertungsansatz der Bilanzstatistik. Bestände an Anleihen werden in dieser zu Buchwerten angegeben. In der SHSS Halterstatistik hingegen zu Nennwerten. Der Anteil von Anleihen an den Gesamtforderungen heimischer Banken an die Sitzstaaten lag Ende 2023 für Deutschland bei 33 %, für Frankreich bei 51 %, für Italien bei 59 % und für Spanien bei 73 %. Allein der Bankensektor Kroatiens hat mit Forderungen gegenüber dem Sitzstaat von knapp 19 % des BIP von allen Mitgliedstaaten des Euroraums noch ein vergleichbares Niveau. Betrachtet wird der jeweils aggregierte inländische Bankensektor. Die Lage einzelner Banken kann sich erheblich unterscheiden. Mit einem Wert von 127 % ist der inländische Bankensektor Kroatiens Ende 2023 noch erheblicher gegenüber dem Sitzstaat exponiert als Spanien. Ebenfalls hohe Werte verzeichnen noch die Bankensektoren von Griechenland und der Slowakei (jeweils 93 %). Belgien ist mit 74 % ähnlich stark exponiert wie der Euroraum insgesamt. Alle anderen Mitgliedstaaten liegen teils deutlich unterhalb des Euroraum-Durchschnitts. Siehe zur Abgrenzung bis 2021 die deutlich komplexeren Erläuterungen zur Darstellung der Gläubigerstruktur in: Deutsche Bundesbank (2022). Vgl. : Deutsche Bundesbank (2018). Auf Basis des „ Agreement on Net Financial Assets “ können die Zentralbanken des Eurosystems auch Wertpapiere in eigenen Portfolios erwerben, ohne dass dies geldpolitischen Zwecken dient. Vgl. hierzu ausführlicher: Deutsche Bundesbank (2016). Dies wirkt auch auf die Angaben für die einzelnen Mitgliedstaaten des Euroraums durch. Auch für letztere ist der Auslandsanteil (auch anderer Länder des Euroraums) die Restgröße. Um Finanzhilfen an besonders von der Finanz- und Schuldenkrise betroffene Mitgliedstaaten zu gewähren, haben sich die Länder des Euroraums gemeinsam über die EFSF verschuldet. Beim hier vorgenommenen Ausweis zu den einzelnen Mitgliedstaaten wurde dieser Beitrag der Verschuldung gegenüber dem Ausland zugerechnet.
Staatsschulden im Euroraum: Aktuelles zur Entwicklung der Gläubigerstruktur Monatsbericht – April 2024
MonatsberichtsaufsatzFußnoten
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Monatsbericht – April 2024 Staatsschulden im Euroraum: Aktuelles zur Entwicklung der Gläubigerstruktur
Monatsbericht – April 2024 Statistischer Teil
Monatsbericht – April 2024 Kurzberichte
Monatsbericht – April 2024 Distributional Wealth Accounts: zeitnahe Daten zur Vermögensverteilung der privaten Haushalte
Monatsbericht – April 2024 Energieeffizienzgewinne: Folgen für CO2-Emissionen und Wirtschaftsleistung in Deutschland